Ein fast vergessener Osterbrauch 

Wie jedes Jahr tragen das Wyhler Messmerpaar Renate und Wilfried Vitt, in der Woche vor Ostern, schwere Schränke, Tische und Figuren aus der Sakristei in den Kirchenraum.

Ähnlich wie zu Weihnachten eine Krippe, wird nun ein Grab mit Figur montiert und aufgebaut. Es kommt in der Wyhler St. Blasiuskirche auch zu Ostern zum Aufbau einer figürlichen Darstellung.

Das Grab mit Jesus Skulptur und Tabernakel, sowie dem Blumen- und Kerzenschmuck werden am linken Seitenaltar, früher auch Evangelienseite genannt, aufgebaut. Die Wyhler nennen ihn schlicht: “den Blasiusaltar“, da auf ihm der Wyhler Schutzpatron abgebildet ist.

Hier findet über die Osterzeit, eine fast vergessene und für den Laien kaum noch sichtbare, liturgische Form der Grabesanbetung statt.

Seit vielen Jahren hat sich, zum Glück nichts verändert. Fritz Späth schreibt hierzu in der Wyhler Chronik, zum Thema kirchlichen Brauchtums in Wyhl: „die österliche Zeit dauerte hier 14 Tage, von Palmsonntag mit den schön gebauten Palmstecken, also von Dominica Palmarum bis Dominicam in Albis (Weißer Sonntag) mit der Grabanbetung.“

Es hat sich seit Späths Aufzeichnungen nichts Grundlegendes verändert.

Generell wurde die Vita Jesu den Gläubigen schon immer in verschiedenster Form erläutert. Seien es Bilder, Texte, Filme, Liedern oder eben auch Figuren. Es gibt zu jedem Abschnitt oder jeder Szene der Geschichte Jesu figürliche Darstellungen. Sei dies beispielsweise zu Weihnahten die Krippe, Jesus auf dem Palm Esel oder die häufigste uns bekannteste Darstellung welche Jesus am Kreuz zeigt.

Eine eher seltene oder fast vergessene Szene aus dem Leben Jesu ist im Kirchenjahr die Grablegung mit Leichnam und die Grabverehrung. Diese Darstellung mit Figuren ist vor allem im Süddeutschen Raum, Bayern und Österreich oder auch in Tirol noch verbreitet.

In der Kunstgeschichte wird die Grablegung meist in Bildern gezeigt. Die Verehrung des Grabes allgemein, begann im frühen Mittelalter, nach den ersten Pilgerreisen nach Jerusalem.

In Wyhl wird ein Schrein aus Holz aufgebaut in dessen Innenraum der stattliche Leichnam Jesu gelegt wird. Diese Holzskulptur zeigt den verstorbenen, liegenden Jesus mit einer stattlichen Größe von rund 160 cm. Der Dargestellte ist mit einem Tuch bedeckt, außer Kopf, Arme und Füße, darauf sind die Wundmale zu erkennen. Hier wird eine klassische Ikonographie mit Leichentuch gezeigt. Die Wirkung ist gewaltig, man erkennt die Leiden Christi auf Anhieb. Jesus wirkt dünn und knöchern fast zerbrechlich. Die Position ist gestreckt und sein Haupt ist nach der rechten Schulter geneigt, seine linke Hand liegt schlaff in seinem Schoß. Sein rechter Arm liegt neben seinem Körper und die Hand ist in einer Art „greifender“ Bewegung verharrt, als ob Jesus dem Betrachter die Hand reichen würde. Das Leichentuch wirkt farblos und schlicht, hat aber zur Innenseite einen Goldrand. Jesu Oberkörper ist leicht erhöht, wodurch eine Untersicht auf sein Gesicht entsteht. Der Betrachter erkennt einen leicht geöffneten Mund und die leeren geschlossenen Augen. Der Künstler hat hier einen sehr real wirkenden Toten dargestellt. Die Finger und Zehen sowie die Haare sind sehr detailliert ausgearbeitet und wirken sehr echt.

Der Umbau ist stark verziert und in Marmoroptik eingefasst. Das Wyhler Grab misst die stattliche Größe von rund 180 cm Breite und ca. 60 cm Höhe. Ein Tisch mit Blumentreppe und Verblendung in Steinoptik lässt dieses Ensemble noch gewaltiger erscheinen. Mittig auf dem Schrein befindet sich zwischen Kerzenhaltern ein abschließbarer Tabernakel mit den Initialen Alpha und Omega. Über die Osterzeit wird das Allerheiligste darin aufbewahrt.

Späth schreibt: „Am Karsamstag  werden Wetterkerzen geweiht welche über das Jahr bei schweren Unwetter entzündet wurden und abends um 08.00 Uhr wird nach dem Rosenkranz das „Allerheiligste“ aus dem Grab gehoben. 

Wie seit Jahrhunderten wird auch heute noch das Grab in St. Blasius mit der liegenden Darstellung Jesu in die Liturgie eingebunden. Hier wird das Grab mithilfe eines Tuches verschlossen, so dass es leer erscheint. Dann wird das Tuch entnommen und man sieht den Leichnam im Grab. Zu Ostersonntag wird der Leichnam entnommen, das Tuch wird gewendet und die Darstellung eines goldenen Osterlamm auf rotem Hintergrund wird sichtbar.

Wer dieses Grab erbaut und die große Skulptur angefertigt hat ist leider zum jetzigen Zeitpunkt noch unbekannt. Man kann davon ausgehen, dass es sehr alt und kunsthistorisch sicherlich sehr wertvoll ist. Bei der Figur handelt es sich vermutlich um eine gotische oder spätgotische Arbeit.  Das Grab wurde im achtzehnten Jahrhundert nach der damaligen barocken Mode umgestaltet, da sowohl der damalige Abt Glunk des Kloster St. Märgen und auch der Wyhler Pfarrer M. Hagenbuch schreiben: im Jahr 1733 ließ man „das  heilige Grab sambt denen Antependiis“ (schmückende Verhüllung des Altarunterbaus) herrichten bzw reparieren. Ob es zuerst im Kloster St. Märgen, oder schon immer in Wyhl zum Einsatz kam ist ungewiss. Man kann heute jedoch mit Sicherheit feststellen, dass diese Wyhler Tradition weit über 290 Jahre alt ist. Es ist in der Region ein selten gewordener, frommer Brauch und sollte weiterhin gepflegt werden.

 Joachim Kniebühler Heimatverein Wyhl

Das Wyhler Grab